Wer nicht heterosexuell ist, gilt als „sexuelle Minderheit“ (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Pansexuelle, Asexuelle). Wem bei der Geburt das falsche Geschlecht zugewiesen wurde, gilt als geschlechtliche Minderheit (Trans*, Inter*, nichtbinäre Menschen).
In ihrem Alltag und Lebensumfeld – angefangen bei der Familie, über Schule, Arbeit und Freizeitangebote bis hin zu rechtlichen Regelungen – sind LSBTIQ* noch keineswegs angemessen akzeptiert und gleichgestellt. Die vielfältigen Formen von Diskriminierung werden als Lesben-, Schwulen-, Bi-, Trans*-, Inter* und Queer-Feindlichkeit beschrieben.
Diskriminierung meint die Benachteiligung von Menschen aufgrund eines bestimmten Merkmals, wie zum Beispiel Herkunft, Religion, Weltanschauung, Befähigung, Gesundheitszustand, Alter, Aussehen, Sprache oder eben auch Geschlecht und sexuelle Orientierung.
Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen institutioneller oder struktureller Diskriminierung, also der Benachteiligung von Menschen, die durch Gesetzgebung, Arbeitsrecht, die Struktur von Institutionen wie Schulen oder Ämtern, ungleiche Bezahlung oder ähnlichem verursacht wird) und der Alltagsdiskriminierung, z.B. durch verbale Angriffe, Ausschlüsse oder die ungewollte Hervorhebung der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität oder die Reduzierung auf auf diese.
Die in der Lebenslagenstudie des Landes aus 2025 befragten LSBTIQ* sehen für sich in zentralen Lebensbereichen nicht die gleichen Zugangschancen wie für andere Personen in NRW [Land NRW (2025) Queer durch NRW].
Die Familiengründung ist der Bereich, in dem die meisten (55 %) keine Chancengerechtigkeit sehen, gefolgt von mangelnder Berücksichtigung ihrer Lebenssituation in Ämtern und Behörden (47 %). Insgesamt nehmen TIN* öfter Chancenungleichheiten wahr als cis Personen. Sowohl LSBTIQ* mit Einwanderungsgeschichte als auch LSBTIQ* mit besonderen gesundheitlichen Bedarfen schätzen ihre Chancen, eine kompetente Gesundheitsversorgung zu erhalten, eine Wohnung zu mieten oder Vermögen aufzubauen, als deutlich geringer ein als der Durchschnitt aller befragten LSBTIQ*.
Eine Mehrheit der Befragten sieht sich mit ihrem Lebensmodell nicht repräsentiert: In der Politik fühlen sich nur 30,5 %, in Medien 44,3 % und in Schulbüchern gar nur 5,7 % repräsentiert. Cis männliche und / oder schwule Befragte fühlen sich in allen Bereichen am häufigsten repräsentiert.
Insgesamt berichtet jede zweite befragte Person, in den vergangenen fünf Jahren Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen und rund drei Viertel der befragten TIN* aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität in NRW erfahren zu haben. Die Befragungsergebnisse zeigen: Nur gut die Hälfte der Befragten fühlt sich im öffentlichen Raum sicher (4,6 % sehr sicher; 50,8 % eher sicher).
LSBTIQ* machen abhängig von ihrer sexuellen und / oder geschlechtlichen Identität in vielen Lebensfeldern spezifische Erfahrungen. Die häufigsten negativen Erfahrungen berichten sie von der Schule, im Kontakt mit Ämtern und Behörden sowie im Sport.
Bei einer repräsentativen Studie des Deutschen Jugendinstituts e.V. zu Coming-outs von Jugendlichen in NRW, gaben 58% der befragten Jugendlichen an, dass sie viele oder einige Bedenken vor ihrem Coming-out hatten [DJI (2020) Coming Out NRW].
Konkret waren die Bedenken der Jugendlichen vor Allem die Ablehnung durch Freund*innen oder Familienmitglieder, verletzende Bemerkungen/Blicke oder Probleme in Schule/Ausbildung/Uni/Arbeitsplatz. Auch Bedenken davor nicht ernst genommen zu werden, sexuell beleidigt oder belästigt zu werden oder körperliche Gewalt zu erfahren, wurden geäußert.
14% der befragten Jugendlichen wurden vor ihrem Coming-out von anderen angesprochen oder unfreiwillig geoutet.
Zugang zu Informationen zu LSBT-Themen hat 35,2% der befragten Jugendlichen beim Coming-out geholfen. Vor Allem mit jemanden über die eigenen Gefühle sprechen zu können, half 75% der befragten Jugendlichen beim Outingprozess.
Zwischen 1,8 und 3,3 Jahren, je nach sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität hat es für die Jugendlichen im Durchschnitt vom inneren zum äußeren Coming-out gedauert.
In einigen Bereichen wird ein Coming-out vermieden, besonders in Sportvereine, soziale Netzwerken, religiösen Gemeinden sowie im weiteren Familienkreis und allgemeinen Jugendeinrichtungen.
Das Wissen von Fachkräften über spezifische Herausforderungen von LSBTIQ* ist gering [Land NRW (2025) Queer durch NRW].
79,8% aller in der Lebenslagenstudie befragten Fachkräfte, haben innerhalb ihres Studiums oder ihrer Ausbildung keine Themen zu sexueller und/oder geschlechtlicher Vielfalt behandelt. Zwei Drittel der befragten Fachkräfte (61,9 %) geben an, noch nie eine Fortbildung oder Lehrveranstaltung zu sexueller oder geschlechtlicher Vielfalt im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit besucht zu haben.
Die Fachkräfte, die dies bejahen, sind v.a. aus der Migrationsarbeit und Integrationsförderung (34,3 %), der sozialen Arbeit, Jugendhilfe und psychosozialen Versorgung (34 %) sowie Schulsozialarbeiter*innen (29,7 %).
Lehrkräfte (14,6 %) geben weniger häufig als der Durchschnitt aller Fachkräfte (20,2 %) an, dies im Lehramtsstudium bereits erlernt zu haben.
Die Fachkräfte sind im Durchschnitt deutlich häufiger mit Bedarfen und Herausforderungen von Lesben, Schwulen und Bisexuellen (LSB*) vertraut als mit denen von trans*, nicht-binären und v.a. inter* Personen bzw. Personen mit Variationen der Geschlechtsentwicklung (TIN*).
Während sich nach eigener Einschätzung drei Viertel (76,3 %) der Fachkräfte gut bis sehr gut mit den Bedarfen von LSB* vertraut fühlen, fühlen sich zwei Drittel (61,2 %) wenig bzw. nicht mit den Bedarfen von trans* und nicht-binären Personen vertraut. In Bezug auf die Bedarfe von inter* Personen und Personen mit Variation der Geschlechtsentwicklung fühlt sich mit 80,3 % die große Mehrheit der Fachkräfte wenig bzw. nicht vertraut.